Tiefenrausch

Apnoetauchen am Seil
Apnoetauchen am Seil

Tiefenrausch – was ist das?

Ein Rausch kann eine schöne Sache sein. Viele Menschen versuchen, mithilfe diverser Substanzen einen Rauschzustand herbeizuführen, sei es Alkohol, Cannabis oder andere Substanzen. Schon daran, dass zahlreiche Rauschsubstanzen in unserer modernen Gesellschaft verboten sind zeigt sich deutlich, dass in jedem Rausch auch Gefahren lauern. Diese Aussage gilt besonders für den Tiefenrausch, bei dem eine Stickstoffnarkose dazu führt, dass der Taucher nach und nach die Fähigkeit, kontrolliert zu denken und zu handeln, verliert.

Hintergrundwissen zum Tiefenrausch

Grund für den Tiefenrausch ist die narkotische Wirkung des Stickstoffs. Dieses Gas zeigt unter zunehmendem Umgebungsdruck in der Tiefe eine narkotisierende Wirkung auf den menschlichen Organismus. Die Narkose setzt spätestens ab circa 30 m Tiefe ein und ist ab dann eine ständige Begleiterscheinung für den Taucher auf dem Weg durch oder in die Tiefe. Die Symptome werden vom betroffenen Taucher oft viel zu spät wahrgenommen. Da die Reaktionsfähigkeit und auch die Handlungsfähigkeit stark herabgesetzt wird kann es unter dem Einfluss der Stickstoffnarkose im Tiefenrausch dazu kommen, dass ein Taucher die Kontrolle über seine Handlungen verliert und Fehler macht. Fehlwahrnehmungen von Tiefe, Luftvorrat oder dekompressionsfreier Grundzeit enden dann leicht in einer Katastrophe unter Wasser.

Charakteristische Merkmale einer Stickstoffnarkose

Bei einer Stickstoffnarkose sind fast immer die folgenden Anzeichen wahrzunehmen:

  • – Die Wahrnehmung wird verlangsamt
  • – Reaktionsvermögen und Aufmerksamkeit des Tauchers lassen nach
  • – Motorische Fähigkeiten des Tauchers verringern sich
  • – die allgemeine Fähigkeit zum kritischen Denken lässt immens nach
  • – Optische und akustische Täuschungen (Fehlwahrnehmungen) treten häufiger auf.

Biologische Funktionen beim Tiefenrausch

Es kommt auf die Fettlöslichkeit eines Gases entscheidend an. Je fettlöslicher ein Gas ist, umso größer ist seine narkotische Wirksamkeit. Mediziner vermuten, dass der Stickstoff als Gas von den sogenannten lipiden Membranen der Synapsen im Nervensystem aufgenommen wird. Dabei wird der Signaltransport der Synapsen beeinflusst, weil diese sich durch die Aufnahme des Gases ausdehnen. Dadurch kommt es zu Fehlschaltungen der Synapsen. Wahrnehmungsstörungen können die Folge sein.

Der Tiefenrausch tritt mal früher, mal später ein

Ob ein Tiefenrausch auftritt ist dabei nicht nur von der Tiefe des Tauchgangs abhängig. Es gibt verschiedene Risikofaktoren, die das Auftreten einer Stickstoffnarkose begünstigen können.

Generelle körperliche Verfassung spielt eine Rolle

Zunächst einmal ist jeder menschliche Organismus anders. Jeder Taucher verfügt über eine unterschiedliche körperliche Verfassung. Dies hat auch Einfluss auf den Tiefenrausch. Jeder Taucher erlebt die Symptome anders, während der eine schon völlig irritiert ist, nimmt der andere die Symptome der Narkose zwar wahr, kann jedoch noch situationsadäquat handeln. Es ist also auch hier wie bei einem Alkoholrausch. Während der eine schon auf dem Tisch tanzt, ist der andere zwar gut angeheitert, hat sich jedoch noch unter Kontrolle. Der nächste liegt sogar schon bewusstlos in der Ecke. Wichtig ist es daher, dass man die Symptome des Tiefenrauschs rechtzeitig wahrnimmt. Dadurch ist es dem betroffenen Taucher möglich, den Beginn der bei ihm eintretenden Stickstoffnarkose rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Dies geschieht am leichtesten dadurch, dass man in eine geringere Tauchtiefe auftaucht.

Tagesform spielt eine große Rolle

Auch externe Umstände können die Stickstoffnarkose verstärken. Nur weil ein Taucher bereits auf 40 m Tiefe abgetaucht ist, ohne die Symptome eines Tiefenrausch wahrzunehmen, heißt das nicht, dass dies beim nächsten Tauchgang auch so ist. Vielleicht tritt beim nächsten Tauchgang der Beginn der Stickstoffnarkose sogar bereits ab 30 m Tiefe oder sogar schon ab 20 Metern Tiefe auf. Woran kann das liegen? In Betracht kommen hier diverse externe Faktoren. Medikamente können eine Rolle spielen, ebenso Schlafmangel beim Taucher. Auch vorangegangene körperliche Anstrengung mit Stickstoffaufbau, etwa ein ausgiebiges Ausdauertraining.

Kaltes und dunkles Gewässer begünstigt Tiefenrausch

Weitere externe Faktoren sind im Gewässer vorhanden. Dunkelheit und Kälte verstärken die Wirkung der Stickstoffnarkose. Daher ist auf die Anzeichen eines Tiefenrausch insbesondere beim Tieftauchgang in kalten Gewässern zu achten. Schlussendlich sollte der Taucher auch den beim Tauchgang durchgeführten Manövern Bedeutung beigemessen. Auch ohne das Auftreten einer Stickstoffnarkose werden Sie es bei einem Tauchgang sicherlich schon bemerkt haben, dass beispielsweise ein abtauchen über Kopf, Kopfstand, tauchen in Rückenlage etc. zu einer völlig anderen Körperwahrnehmung bei Ihnen geführt haben. Solche ungewohnten körperlichen Reize können – verbunden mit der entsprechenden Tauchtiefe – auch die Symptome des Tiefenrausch verstärken.

Alkohol oder Cannabis, ist die Wirkung vergleichbar?

Als Faustformel für die Wirkung eines Tiefenrausch wird anekdotisch die sogenannte „Martini-Regel“ angegeben. Für je 15 m Tauchtiefe soll die Wirkung des Tiefenrausch so fühlbar sein, als habe meine ein Glas Martini auf nüchternen Magen getrunken. Kein Problem, werden geübte Alkoholiker sagen, 3 Stück trinke ich bereits morgens vor dem Frühstück. So leicht ist die Rechnung jedoch nicht, denn am Ende geht es ja um die Frage, was mit der Leistungsfähigkeit des Tauchers unter Wasser durch die Auswirkungen der Stickstoffnarkose geschieht. Gemeinsam mit dem Alkoholrausch hat der Tiefenrausch, dass eine allgemeine Tendenz zur Selbstüberschätzung zu beobachten ist.

Gegenmaßnahmen gegen Tiefenrausch

Das Problem der Stickstoffnarkose wurde bereits frühzeitig von den Tauchsportverbänden erkannt. Bereits in den sechziger und siebziger Jahren wurden daher Tiefengrenzen für Sporttaucher eingeführt, erst 50 m, dann 40 m und zuletzt bei einigen Verbänden sogar 30 m Tiefe. Dabei handelt es sich natürlich um Empfehlungen. Außerdem bildeten sich neue Verbände heraus, die weitergehende Konzepte zur Kontrolle der Stickstoffnarkose entwickelten. Insbesondere der Bereich des technischen Tauchen ist letztendlich aus der erkannten Problematik der Stickstoffnarkose entstanden. Denn viele Tauchgänge, etwa beim Wracktauchen oder beim Höhlentauchen, bedingen oft das Überschreiten der Tiefengrenzen des Sporttauchens. Hier wurde auf einen technischen Ansatz Wert gelegt, um die negativen Auswirkungen der Stickstoffanreicherung des Körpers möglichst gering zu halten.

Kann ich mich an eine Stickstoffnarkose gewöhnen?

Manche meinen, dass man sich an die Auswirkungen der Stickstoffnarkose durch wiederholte Tieftauchgänge gewöhnen könnte. Dass dies physiologisch so ist, darf stark bezweifelt werden. Möglicherweise lässt sich jedoch ein ähnlicher Effekt beobachten, wie auch bei Betrunkenen. Wer häufiger Alkohol trinkt, entwickelt am Ende eine Alkoholgewöhnung, die jedoch nur darin besteht, dass man trotz auftretender körperlicher Beeinträchtigungen weiterhin adäquat handeln kann. Man könnte also sagen, der erfahrene Trinker möglicherweise leichter noch mit seinem Auto fahren kann, so kann auch der geübte Tieftaucher leichter Fehler vermeiden und sicher an die Oberfläche zurückkehren, als der Anfänger im Tieftauchen. Dies stellt aber natürlich keine Lösung des Problems dar, da die objektiv eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit – wie beim Alkoholrausch – einfach erhalten bleibt. Man kann daher höchstens von einer besseren Risikokontrolle des geübten Tieftauchers sprechen.

Alternative Atemgase

Im Bereich des technischen Tauchen hat man sich darum bemüht, das Problem der Stickstoffnarkose durch die Elimination von Stickstoff aus dem Atemgas des Tauchers zu erreichen. Dies ist auch der einzig erfolgversprechender Ansatz, der die physiologischen Wirkungen des Stickstoff tatsächlich verhindert. Nitrox, Trimix, Heliox etc. bauen alle darauf auf, den Stickstoffpartialdruck zu verringern und so größere Tauchtiefen zu ermöglichen. Dabei treten jedoch eine Vielzahl anderer Probleme auf, die berücksichtigt werden müssen. Deswegen ist eine spezielle Ausbildung im Bereich des technischen Tauchens und im Bereich der Mischung von Atemgasen notwendig, bevor man die Tieftauchgrenzen der Tauchsportverbände sicher überschreiten kann.

Tauchunfall durch Narkose?

Der Hauptgrund für Tauchunfälle ist in aller Regel menschliches Versagen. Bei vielen Unfällen besteht auch der Verdacht, dass der Tiefenrausch eine Rolle gespielt hat. Ob jedoch tatsächlich eine Stickstoffnarkose ursächlich für Fehler des Tauchers gewesen ist, lässt sich im Nachhinein häufig nicht mehr bestimmen. Angaben kann sowieso nur der Taucher machen, da es sich um seine subjektiven Wahrnehmungen handelt. Denn objektiv ist die Stickstoffnarkose nicht mehr nachweisbar. Im Gegensatz zu Alkohol oder Drogen lässt nämlich die narkotisierende Wirkung des Stickstoffs sofort nach, wenn der Umgebungsdruck auf den Körper des Tauchers reduziert wird. Sobald der Taucher also auftaucht, entweicht der gelöste Stickstoff aus dem Körper. Ein objektiver Nachweis durch Analysen des Körpers ist daher im Nachhinein nicht mehr sicher zu führen. Daher wird sich auch die Unfallursache Stickstoffnarkose nur äußerst selten in einem Unfallprotokoll wiederfinden.

Sicher tauchen ohne Stickstoffnarkose

Um entspannt und sicher tauchen zu können, sollten sich besonders Anfänger daher innerhalb der empfohlenen Tiefengrenzen ihres Tauchsportverbandes bewegen. Wenn einzelne Verbände dabei abweichende Grenzen angeben, sollte auch dies nicht zur Rechtfertigung des Überschreitens dieser Grenzen vom Taucher herangezogen werden. Denn jeder Verband hat ja auch eine etwas andere Ausbildung, und am Ende sollte man in diesem Bereich als Anfänger kein Risiko eingehen. Außerdem sollte man bedenken, dass die Tauchtiefe für sich betrachtet keine Messlatte sein sollte. Schöne Tauchgänge kann man vor allen Dingen in den Tiefen von 5-20 Metern haben, dort ist sowohl in Binnengewässern, als auch im Meer die Vegetation und der Artenreichtum am größten. Wer sich für Wracks interessiert die tiefer liegen, sollte sich entsprechend vorbereiten. Dazu gibt es entsprechende Tauchkurse.

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