Bühlmann-Algorithmus

Der Bühlmann-Algorithmus – Wie moderne Tauchcomputer unsere Sicherheit berechnen

In der Welt des Gerätetauchens gibt es viele Begriffe, die für Einsteiger zunächst abstrakt oder kompliziert klingen. Einer davon ist der sogenannte Bühlmann-Algorithmus – das Herzstück vieler moderner Tauchcomputer. Auch wenn man ihn nicht direkt spürt oder sieht, sorgt dieser Algorithmus im Hintergrund dafür, dass wir sicher tauchen und kontrolliert auftauchen.

Wir möchten dir in diesem Artikel erklären, was der Bühlmann-Algorithmus ist, wie er funktioniert, warum er für deine Sicherheit so wichtig ist und welche Rolle er im modernen Tauchequipment spielt.


Was ist der Bühlmann-Algorithmus?

Der Bühlmann-Algorithmus ist ein mathematisches Modell zur Berechnung der Stickstoffsättigung (und ggf. auch Heliumsättigung) in den verschiedenen Geweben des menschlichen Körpers beim Tauchen. Er wurde in den 1960er- bis 1980er-Jahren vom Schweizer Arzt und Physiker Prof. Dr. Albert A. Bühlmann an der Universität Zürich entwickelt.

Ziel war es, ein zuverlässiges Verfahren zu entwickeln, mit dem man Dekompressionszeiten und Aufstiegsgeschwindigkeiten berechnen kann, um das Risiko eines Dekompressionsunfalls (DCS, umgangssprachlich „Taucherkrankheit“) zu minimieren.


Warum brauchen wir einen Algorithmus beim Tauchen?

Beim Tauchen atmen wir unter erhöhtem Umgebungsdruck Luft (oder andere Gase) ein. Das führt dazu, dass sich inert gases wie Stickstoff (N₂) oder Helium (He) in unserem Körpergewebe lösen. Je tiefer und länger wir tauchen, desto mehr dieser Gase nehmen unsere Gewebe auf.

Wenn wir zu schnell auftauchen, bilden sich Gasblasen, die zu gefährlichen Symptomen wie Gelenkschmerzen, Lähmungen oder sogar Bewusstlosigkeit führen können. Genau hier setzt der Bühlmann-Algorithmus an: Er modelliert die Aufnahme und Abgabe dieser Gase im Körper, um sichere Tauchprofile zu ermöglichen.


Wie funktioniert der Bühlmann-Algorithmus?

Der Algorithmus basiert auf dem Konzept von Gewebekompartimenten. Der menschliche Körper wird nicht als eine homogene Masse betrachtet, sondern in mehrere (in der Regel 16) fiktive Gewebe unterteilt – z. B. Muskel, Fett, Nervengewebe usw. Jedes dieser Kompartimente nimmt Stickstoff unterschiedlich schnell auf und gibt ihn wieder ab.

Diese Gewebe haben jeweils eine sogenannte Halbwertszeit, also die Zeit, die ein Gewebe benötigt, um zur Hälfte mit Inertgas gesättigt zu werden oder dieses wieder abzugeben.

Kernpunkte des Algorithmus:

  • 16 Gewebekompartimente mit unterschiedlichen Sättigungszeiten
  • Berücksichtigung von Stickstoff- und ggf. Heliumaufnahme
  • Mathematische Berechnung, wann ein Kompartiment beginnt, Gasblasen zu bilden
  • Vorgabe von maximal zulässigen Umgebungsdrücken (M-Werte)
  • Berechnung von Nullzeiten, Dekompressionsstopps und Aufstiegsgeschwindigkeiten

Bühlmann-Modelle in der Praxis

Die ursprüngliche Version des Bühlmann-Algorithmus wurde mehrfach überarbeitet. Heute sind insbesondere die Varianten ZH-L16A, ZH-L16B und ZH-L16C verbreitet.

ZH-L16C ist die Version, die heute am häufigsten in modernen Tauchcomputern verwendet wird.

Sie bietet:

  • Genauere Anpassung an verschiedene Tauchbedingungen
  • Unterstützung für Multigas-Tauchgänge (z. B. mit Trimix)
  • Möglichkeit zur Integration von Gradientenfaktoren (dazu gleich mehr)

Gradientenfaktoren – Feinjustierung für den Sicherheitsanspruch

Viele moderne Tauchcomputer, die den Bühlmann-Algorithmus verwenden, arbeiten zusätzlich mit Gradientenfaktoren (GF). Diese erlauben eine Feinanpassung des konservativen Charakters des Algorithmus:

  • GF Low bestimmt, wann der erste Dekompressionsstopp beginnt (je niedriger, desto früher)
  • GF High bestimmt, wie nah man am maximalen zulässigen Druckgradienten auftaucht

Beispiel: Ein häufig genutztes Set ist GF 30/85
→ Frühzeitiger erster Deko-Stopp, dafür effizienter Aufstieg am Ende.

Wer also mehr Sicherheit wünscht, kann den Algorithmus konservativer einstellen – ein großer Vorteil für ältere Taucher, Menschen mit Risikofaktoren oder anspruchsvolle Tauchgänge.


Vorteile des Bühlmann-Algorithmus

Wissenschaftlich fundiert: Jahrzehntelange Forschung, klinische Studien und Tauchdaten liegen der Entwicklung zugrunde.
Anpassbar: Über Gradient Factors auf individuelle Bedürfnisse einstellbar.
Multifunktional: Für Luft, Nitrox, Trimix und Helium geeignet.
Breit verfügbar: Nahezu alle hochwertigen Tauchcomputer nutzen heute eine Bühlmann-Variante.


Grenzen des Modells

Trotz seiner Stärke hat auch der Bühlmann-Algorithmus Grenzen:

  • Es handelt sich um ein Modell, nicht um eine Garantie. Jeder menschliche Körper reagiert individuell.
  • Faktoren wie Kälte, Anstrengung, Dehydration, Mikrozirkulation und genetische Unterschiede können das DCS-Risiko unabhängig vom Algorithmus beeinflussen.
  • Die Berechnungen beruhen auf schnellen Gasaufnahme- und -abgabeprozessen, berücksichtigen aber keine tatsächlichen Blasen im Körper (wie z. B. das RGBM-Modell).

Fazit: Rechenmodell mit realer Wirkung

Der Bühlmann-Algorithmus ist ein zentraler Baustein der modernen Tauchmedizin. Er hilft uns, sichere Tauchgänge zu planen und zu absolvieren – egal ob Anfänger oder technischer Taucher. Wer seine Funktionsweise versteht, kann Tauchcomputer besser einschätzen, Dekompressionsstrategien anpassen und das eigene Risiko minimieren.

Unser Tipp:
Lerne nicht nur, was dein Tauchcomputer anzeigt – lerne, wie er rechnet.
Nur so kannst du fundierte Entscheidungen unter Wasser treffen.

Bleib sicher – tauche mit Verstand – vertraue deinem Algorithmus, aber nicht blind.