Dekompressionsalgorithmus

Dekompressionsalgorithmus – Das unsichtbare Sicherheitsnetz beim Tauchen

Beim Gerätetauchen verlassen wir uns auf viele Faktoren, um sicher unter Wasser und wieder an die Oberfläche zu kommen: Ausbildung, Ausrüstung, Planung – und auf eine stille, unsichtbare Rechenmaschine in unserem Tauchcomputer: den Dekompressionsalgorithmus.

Obwohl man ihn beim Tauchen nicht sieht oder spürt, ist dieser Algorithmus entscheidend dafür, ob wir sicher und ohne gesundheitliche Schäden auftauchen – besonders bei längeren oder tieferen Tauchgängen.

In diesem Artikel erkläre, wir dir, was ein Dekompressionsalgorithmus ist, wie er funktioniert, welche Varianten es gibt und warum du wissen solltest, wie dein Tauchcomputer rechnet.


Was ist ein Dekompressionsalgorithmus?

Ein Dekompressionsalgorithmus ist ein mathematisches Modell, das berechnet, wie viel Inertgas (z. B. Stickstoff oder Helium) sich während eines Tauchgangs in deinem Körpergewebe löst – und wie dieses Gas beim Aufstieg wieder aus dem Körper entweicht, ohne dabei gefährliche Gasblasen zu bilden.

Diese Berechnungen helfen dem Tauchcomputer oder Tauchplaner, zu entscheiden:

  • Wie lange du auf einer bestimmten Tiefe bleiben kannst (Nullzeit)
  • Ob und wann du Dekompressionsstopps einlegen musst
  • Wie schnell du sicher aufsteigen darfst
  • Wie lange du auf bestimmten Tiefen „entsättigen“ musst

Das Ziel ist es, eine Dekompressionskrankheit (DCS) – auch als Taucherkrankheit bekannt – zu vermeiden.


Warum brauchen wir einen Algorithmus?

Beim Abtauchen atmen wir unter erhöhtem Umgebungsdruck. Dadurch lösen sich Inertgase aus der Atemluft vermehrt in unseren Körpergeweben. Beim Auftauchen sinkt der Umgebungsdruck – und das gelöste Gas muss den Körper wieder verlassen.

Wenn der Druck zu schnell abfällt, kann sich das Gas nicht mehr nur gelöst im Gewebe halten, sondern es entstehen Gasblasen, ähnlich wie beim Öffnen einer Sprudelflasche. Diese Blasen können zu Gelenkschmerzen, Nervenschäden oder im schlimmsten Fall zu Lähmungen oder Tod führen.

Ein Dekompressionsalgorithmus hilft, diesen Übergang vom Druck in die Normalität kontrolliert zu gestalten.


Wie funktionieren Dekompressionsalgorithmen?

Grundlegend basieren alle Algorithmen auf dem Konzept, dass der menschliche Körper aus verschiedenen Gewebetypen besteht – z. B. Muskeln, Fettgewebe, Nervengewebe – die Inertgase unterschiedlich schnell aufnehmen und abgeben.

Diese Gewebe werden in sogenannten Kompartimenten modelliert – jedes mit seiner eigenen Halbwertszeit (die Zeit, in der sich die Gasmenge im Gewebe zur Hälfte verändert). Der Algorithmus berechnet, wie gesättigt jedes Gewebe ist und wie schnell man aufsteigen darf, ohne dass es zur Blasenbildung kommt.


Beliebte Dekompressionsalgorithmen in der Praxis

1. Bühlmann ZH-L16

  • Entwickelt vom Schweizer Arzt Prof. Dr. Albert A. Bühlmann
  • Am weitesten verbreiteter Algorithmus in Sport- und Technischem Tauchen
  • Arbeitet mit 16 Gewebekompartimenten
  • Unterstützt Luft, Nitrox und Trimix
  • Erlaubt Feinjustierung über Gradientenfaktoren (z. B. GF 30/85)

Vorteil: Wissenschaftlich fundiert, präzise, weit verbreitet
Nachteil: Berücksichtigt keine echte Blasenbildung


2. RGBM (Reduced Gradient Bubble Model)

  • Entwickelt von Dr. Bruce Wienke
  • Erweitert das Bühlmann-Modell um Blasenphysik
  • Bezieht Mikroblasenbildung beim Aufstieg mit ein
  • Häufig in Suunto- und Mares-Computern zu finden

Vorteil: Sehr konservativ, besonders bei Wiederholungstauchgängen
Nachteil: Kaum anpassbar, teilweise zu vorsichtig für technische Anwendungen


3. VPM (Variable Permeability Model)

  • Vor allem im Technischen Tauchen genutzt
  • Berücksichtigt Blasenbildung ähnlich wie RGBM
  • Berechnet Dekompression auf Basis der Permeabilität von Gasblasen

Vorteil: Gut geeignet für Tieftauchgänge und Trimix
Nachteil: Komplexer, nicht weit verbreitet in Sporttauchcomputern


Was bedeutet das für dich als Taucher?

Dein Tauchcomputer oder deine Planungssoftware wählt einen Algorithmus nicht zufällig – sondern basierend auf dem Hersteller, der Zielgruppe und dem geplanten Einsatzgebiet. Doch als verantwortungsvoller Taucher solltest du wissen, welcher Algorithmus bei deinem Tauchcomputer zum Einsatz kommt, denn:

  • Bühlmann mit GF 30/85 verhält sich anders als
  • RGBM mit festen Konservativitätsstufen, und wiederum anders als
  • VPM bei tiefen Mischgastauchgängen

Wenn du regelmäßig Wiederholungstauchgänge, Kaltwassertauchgänge oder dekompressionspflichtige Tauchgänge machst, solltest du genau wissen, wie dein Computer rechnet – und ob du ihn entsprechend konservativ einstellen kannst.


Was beeinflusst die Berechnungen?

Ein Dekompressionsalgorithmus arbeitet zwar mathematisch – aber dein Körper ist keine Maschine. Es gibt individuelle Faktoren, die du kennen und in deine Planung einbeziehen solltest:

  • Alter und Fitness
  • Hydrierung
  • Kälte
  • Anstrengung vor/nach dem Tauchgang
  • Verletzungen oder Krankheiten
  • Mikroblasen durch vorherige Tauchgänge

Ein konservativer Algorithmus – oder die Anpassung über Gradient Factors – kann helfen, diese Risiken abzumildern.


Fazit: Wissen schützt beim Tauchen

Der Dekompressionsalgorithmus ist ein zentraler Bestandteil deiner Tauchsicherheit. Er hilft dir, planbar, kontrolliert und risikominimiert zu tauchen. Aber er ist kein Zauberwerkzeug: Er liefert dir nur so gute Daten, wie du es durch deine Verständnis, Einstellungen und Entscheidungen zulässt.

Wir von tauchen.xyz raten dir:

Verlasse dich nicht blind auf deinen Tauchcomputer – verstehe, wie er rechnet.

Nur dann kannst du bewusste, sichere Entscheidungen treffen – bei jedem Tauchgang, unter allen Bedingungen.


Tipp: Du möchtest wissen, welcher Algorithmus in deinem Computer steckt? Schau in die Bedienungsanleitung – oder frag direkt bei deiner Tauchschule oder einem erfahrenen Tauchlehrer nach.


Tauche mit System – rechne mit Sicherheit – und halte deine Dekompression unter Kontrolle!