Das RGBM-Modell – Blasenmanagement für sicheres Tauchen
Beim Gerätetauchen ist der kontrollierte Umgang mit Inertgasen (z. B. Stickstoff oder Helium) eine der wichtigsten Sicherheitsmaßnahmen. Während traditionelle Tauchmodelle wie der Bühlmann-Algorithmus hauptsächlich mit gelösten Gasen arbeiten, geht das RGBM-Modell (Reduced Gradient Bubble Model) einen Schritt weiter: Es berücksichtigt auch die Bildung und das Verhalten von Gasblasen im Körper – ein entscheidender Faktor zur Vermeidung der Dekompressionskrankheit.
In diesem Artikel erklären wir dir, was das RGBM-Modell ist, wie es funktioniert, worin es sich von klassischen Dekompressionsmodellen unterscheidet und warum es für viele Taucher – insbesondere im technischen Bereich – zur bevorzugten Grundlage für Tauchcomputer geworden ist.
Was ist das RGBM-Modell?
Das Reduced Gradient Bubble Model (RGBM) wurde in den 1990er-Jahren von Dr. Bruce Wienke, einem Physiker und Tauchforscher aus den USA, entwickelt. Es baut auf klassischen Modellen wie dem von Bühlmann auf, erweitert diese aber entscheidend: Es integriert die Entstehung, das Wachstum und die Dynamik von Mikroblasen in die Dekompressionsberechnung.
Ziel ist es, nicht nur die Sättigung der Gewebe mit Inertgas zu berücksichtigen, sondern auch die Entstehung von Blasen zu kontrollieren – denn genau diese Blasen können beim Auftauchen gefährlich werden, wenn sie zu groß werden oder in empfindlichen Körperbereichen auftreten.
Warum Blasenmanagement beim Tauchen so wichtig ist
Beim Tauchen lösen sich unter erhöhtem Umgebungsdruck Stickstoff oder Helium im Körpergewebe. Beim kontrollierten Auftauchen entweichen diese Gase wieder. Doch nicht alles bleibt dabei in gelöster Form: Es entstehen Gasblasen, die – je nach Größe, Anzahl und Verteilung – zu Symptomen der Dekompressionskrankheit (DCS) führen können.
Klassische Modelle wie Bühlmann ignorieren diese Blasen und arbeiten rein mit mathematischen Sättigungsmodellen. Das RGBM hingegen versucht, die physikalische Realität von Blasenbildung in die Gleichungen einzubeziehen – mit dem Ziel, Blasenwachstum aktiv zu unterdrücken.
Wie funktioniert das RGBM-Modell?
Das RGBM-Modell basiert auf zwei zentralen Ideen:
- Modellierung von Mikroblasen im Körper
Es wird angenommen, dass sich beim Abtauchen immer kleine Gasbläschen im Körper bilden (Mikroblasen), die aber bei stabilem Druck harmlos bleiben. - Reduzierung von Druckgradienten beim Aufstieg
Das Modell passt die Aufstiegsgeschwindigkeit und die Dekompressionszeiten so an, dass das Wachstum dieser Mikroblasen unterdrückt oder verlangsamt wird.
Kernprinzipien:
- Kombination aus gelöster Gas- und Blasenphysik
- Verlängerte Dekompressionszeiten bei wiederholten Tauchgängen
- Besondere Berücksichtigung von Multiday-Tauchprofilen
- Langsamere Aufstiege und ggf. tiefere erste Deko-Stopps
- Strengere Limits bei Reverse Profiling (wenn der zweite Tauchgang tiefer ist als der erste)
Unterschiede zwischen RGBM und klassischen Modellen wie Bühlmann
Merkmal | RGBM | Bühlmann |
---|---|---|
Blasenmodell integriert | ✅ Ja | ❌ Nein |
Konservativer Charakter | Höher | Flexibel via Gradient Factors |
Tiefer erster Deko-Stopp | ✅ Häufig | ❌ Seltener |
Reverse-Profile berücksichtigt | ✅ Ja | ❌ Nein |
Für Wiederholungstauchgänge optimiert | ✅ Besonders konservativ | ⚠️ Nur eingeschränkt |
RGBM in der Praxis – wo wird es verwendet?
Das RGBM-Modell findet in vielen Tauchcomputern namhafter Hersteller Anwendung, z. B.:
- Suunto (z. B. Vyper, D5, Eon Core)
- Mares (z. B. Puck, Quad)
- Atomic Aquatics
Viele dieser Computer basieren auf einer modifizierten Version des RGBM, teilweise in Kombination mit anderen Algorithmen oder durch den Hersteller angepasst, um eine bessere Balance zwischen Sicherheit und Praxisnähe zu schaffen.
Vorteile des RGBM-Modells
✅ Höhere Sicherheit durch Blasenmanagement
Besonders bei tiefen, langen oder wiederholten Tauchgängen bietet RGBM eine zusätzliche Schutzschicht.
✅ Effektiv bei Multiday-Tauchgängen und Liveaboards
Das Modell berücksichtigt die aufgestaute Blasenlast über mehrere Tage hinweg.
✅ Reduzierung von Mikroblasenbildung
Ein gezieltes Aufstiegsprofil mit konservativen Stopps wirkt der Entstehung gefährlicher Blasen entgegen.
Nachteile und Kritikpunkte
⚠️ Manchmal zu konservativ
RGBM-Tauchcomputer neigen dazu, frühzeitig Deko-Stopps anzuzeigen oder lange Dekompressionszeiten zu verlangen – auch bei relativ „harmlosen“ Tauchgängen.
⚠️ Kaum individuelle Anpassung möglich
Im Gegensatz zu Bühlmann mit Gradient Factors lassen sich RGBM-Computer selten feinjustieren.
⚠️ Wenig Transparenz
Die genaue Funktionsweise und die Parameter des RGBM sind meist nicht offen einsehbar – was für technische Taucher ein Nachteil ist.
Für wen ist das RGBM-Modell besonders geeignet?
- Sporttaucher, die auf maximale Sicherheit Wert legen
- Urlaubstaucher, die täglich mehrere Tauchgänge machen
- Taucher mit längeren Wiederholungsintervallen oder Multiday-Tauchprofilen
- Taucher, die einfache Bedienung statt technischer Kontrolle bevorzugen
Fazit: Sicherheit durch Blasenprävention
Das RGBM-Modell bietet eine moderne, sicherheitsorientierte Herangehensweise an die Dekompressionsplanung. Durch die aktive Berücksichtigung von Blasenbildung stellt es einen bedeutenden Fortschritt gegenüber klassischen Modellen dar – auch wenn es in der Praxis manchmal konservativer agiert, als manche Taucher es gewohnt sind.
Als Tauchlehrer empfehle ich:
Verstehe, mit welchem Algorithmus dein Tauchcomputer arbeitet.
Denn wer weiß, wie sein Computer rechnet, kann besser entscheiden, wann er sicher ist – und wann er besser eine Pause einlegt.
Tauche sicher – mit Verstand, Wissen und einem Algorithmus, der nicht nur Druck, sondern auch Blasen versteht.